Besucherzentrum Wankdorf: Im Holodeck des ASTRA
Im neu eröffneten Besucherzentrum Wankdorf macht das Bundesamt für Strassen ASTRA Informationen zu grösseren Infrastrukturprojekten in der Region Bern der Bevölkerung zugänglich. Aktuell bietet das «Holodeck» virtuelle Flüge über den zukünftigen Anschluss Bern-Wankdorf.



Wem das moderne Holzgebäude je aufgefallen ist, hat sich sicher gefragt, wozu es dient. «Lueg mau… id Zuekunft», ist auf dem Gebäude gross zu lesen. Es ist eine «Einladung zum Entdecken und Verstehen», welche das Bundesamt für Strassen ASTRA an die interessierte Bevölkerung richtet. Aktuell gibt das Besucherzentrum Einblick in die Umgestaltung des Anschlusses Bern-Wankdorf, zukünftig auch zum Bypass Bern Ost.
Beide Projekte werden die Region über Jahrzehnte prägen und die Siedlungs-, Freiraum- und Verkehrsentwicklung massgeblich beeinflussen. Sie sind hochkomplex und wegen den langen Planungsphasen immer wieder Teil von Diskussionen. Im Besucherzentrum Wankdorf werden die Projekte auf eine verständliche Art und Weise erklärt, auch mithilfe von dreidimensionalen Modellen und bestehendem Kartenmaterial.
Argumente entkräftet
Nach der Begrüssung im Vorraum gelangen wir in einen dunklen Raum. Eine grosse gelbe Gestalt blickt in Richtung einer grossen Projektionsfläche. Davor stehen auf einem runden Podest farbige Figürchen. Sie repräsentieren die verschiedenen Akteure im Projekt, aber auch Politikerinnen und Politiker und die Bevölkerung. Im Dialog erklären sie das Projekt, stellen Fragen und geben Antworten. Die Absicht ist klar: Die Antworten sollen Gegnern des Anschlusses Bern-Wankdorf den Wind aus den Segeln nehmen und signalisieren, dass sich die Verantwortlichen auch kritisch mit dem Projekt befasst haben.



Obwohl: Wirkliche Gegner des Projekts waren bisher noch nicht hier, erzählt mir der Mitarbeiter des ASTRA, der die Führung leitet – zumindest haben sie sich nicht zu erkennen gegeben. Alle hätten sich einfach für das Bauvorhaben interessiert.
Und genau das ist der Zweck des Besucherzentrums Wankdorf. Mit ihm kommt das ASTRA dem Bedürfnis – und auch dem Anspruch – der Bevölkerung und Politik nach mehr Information und Mitsprache nach.
Von Science Fiction zur Realität
Nun wird es aber Zeit, den nächsten Raum zu betreten, den der Mitarbeiter als das «Holodeck» vorstellt. Der Begriff aus dem Science-Fiction-Universum von Star Trek meint einen Raum, in dem eine interaktive 3D-Simulation eine reale oder fiktive Umgebung erschafft. Auch auf dem Tablet-Computer, mit dem der Mitarbeiter die Lichter und Präsentationen steuert hat, habe ich vorhin schon eine Benutzeroberfläche im LCARS-Stil des Raumschiffs Enterprise entdeckt.
Und tatsächlich erinnert der Raum an ein Holodeck mit dem Gras auf dem Boden, den Papierwolken in der Luft und der 270°-Projektionsfläche. In verschiedenen Animationen werden das Projekt vorgestellt und die schönsten Seiten von Bern gezeigt, bevor es zum Kernstück der Führung geht. Das Bundesamt für Strassen hat das ganze Gebiet Bern-Wankdorf am Computer virtuell nachgebaut, inklusive dem zukünftigen Strassenverlauf des Anschlusses Wankdorf.



Aus verschiedenen Richtungen fahren wir über den Anschluss, um die einzelnen Abschnitte zu erkunden. Erst so fallen einzelne Verbesserungen in der Streckenführung auf. An mehreren Orten merke ich: Hier kann der Verkehr zukünftig besser fliessen, weil nicht mehr die ganze Strasse überquert werden muss. Gerade die Ausfahrt aus Richtung Basel/Zürich und der Westschweiz in den Schermenweg wird entschärft. Hier blockieren Autofahrerinnen und Autofahrer oft den Verkehr aus Richtung Ostermundigen und dem Emmental, wenn sie auf die Kreuzung fahren, obwohl sie gar keinen Platz mehr haben. Mit dem neuen Anschluss biegen sie von Süden statt von Norden in den Schermenweg und sind damit schon auf der richtigen Strassenseite.
Nun übernimmt unser Tour Guide die Kontrolle. Er fragt, welche Abschnitte die Besucherinnen und Besucher besonders interessieren, und fliegt diese dann an. Manche Anwesende treten nahe an die Wand, um ja kein Detail zu verpassen. Fragen bleiben so keine offen. Ja, ich habe wirklich das Gefühl, dass sich diese Tour lohnt, um das Projekt besser zu verstehen.



«Computer, Ausgang!»
Wären wir in den USA, würden wir nun zu einem dritten Raum und danach zum Laden gelangen, ganz nach dem Motto «Exit through the gift shop». So könnten auch gleich mehrere Führungen parallel angeboten werden. Im Besucherzentrum Wankdorf geht es jedoch zurück in den ersten Raum. An der anderen Wand wartet eine Schalttafel auf Input. Nein, hier werden nicht Phaser und Photonentorpedos auf klingonische Raumschiffe abgefeuert, sondern verschiedene Verkehrsaufkommen simuliert. Die Schieberegler steuern einzelne Faktoren, die den Verkehr beeinflussen: Homeoffice-Möglichkeit, Verkehrsmittel-Wahl, Einkaufsverhalten, Ferienvorlieben, flexible Arbeitszeiten und ein eigenes Auto. Jeweils vier Antwortoptionen stehen zur Auswahl, die das Ergebnis beeinflussen.
«Das grosse Ganze» nennt sich die Installation, und überzeugt mich nicht. Denn Ziel ist nicht etwa, die Auswirkungen des eigenen Mobilitätsverhaltens zu analysieren und Vorschläge zu erhalten, um Verkehr und Umwelt zu entlasten. Nein, die sieben Schieberegler sollen von sieben verschiedenen Personen bedient werden, um einen Querschnitt der Bevölkerung zu erhalten. Da jede Person so einen anderen Aspekt kontrolliert, lassen sich aus dem bunten Gemisch von Daten keine Erkenntnisse entnehmen. Doch genau das versucht das grosse Ganze trotzdem, und zeigt die Werte von drei Spielrunden nebeneinander an.



Auch wenn laut unserem Tour-Guide noch keiner zu Besuch war: Gegner des Projekts gibt es einige. Obwohl die Bundes- und Kantonsbehörden und auch die Stimmbevölkerung den neuen Anschluss Bern-Wankdorf möchten, wehrt sich die neu zusammengesetzte Stadtregierung dagegen. Den Verkehrsfluss und den täglichen Stau verbessern? In ihren Augen geht das gar nicht.
Ein weiterer Gegner hat seinem Ärger Luft gemacht: Jemand hat auf dem grossen Schild am Gebäude «Zuekunft» durchgestrichen und stattdessen in grünen Grossbuchstaben «Röhre» hingeschrieben.

Möglicherweise war es aber auch jemand, der den Bau des Bypass Bern Ost kaum erwarten kann. Bei diesem Projekt wird die Autobahn zwischen den Anschlüssen Bern-Wankdorf und Muri in die «Röhre» verlegt. Der neue Tunnel entlastet die Wohnquartiere, die sich seit dem Bau der Autobahn links und rechts davon angesiedelt haben. Der Schreibkünstler soll unbedingt nochmals zum Besucherzentrum Wankdorf kommen. Denn zukünftig sind auch Führungen zum Bypass Bern Ost geplant.
Jetzt für die Führung anmelden
Vorerst werden an zwei Abenden pro Monat je zwei Führungen angeboten. Dieses Angebot wird je nach Nachfrage erweitert. Die nächsten Führungen zum Anschluss Wankdorf finden am 4. und 25. September, am 7. und 30. Oktober sowie am 11. und 20. November statt. Sie dauern eine Stunde und beginnen um 17.00 Uhr oder um 19.00 Uhr. Die Teilnahme ist kostenlos. Eine Anmeldung über das Reservationsformular auf der Website ist erforderlich: www.besucherzentrum-wankdorf.ch. Erwartet keine automatische Anmeldebestätigung. Diese wird manuell ausgelöst, was mehrere Wochen dauern kann.



Perma-Link zu diesem Beitrag: http://ptrl.ch/bzwdorf
