Streit um die Wiederauferstehung von Hispano Suiza
Am Auto-Salon Genf 2019 hätte Hispano Suiza, die ehemalige spanische Automarke mit einem Schweizer Chefkonstrukteur, gleich doppelt auferstehen sollen. Schlussendlich präsentierte dann aber doch nur ein Unternehmen sein neues Modell «Carmen».
Spanisch-schweizerische Luxuswagen
Der Schweizer Ingenieur Marc Birkigt zieht 1899 als 21-Jähriger nach Barcelona. Dort entwirft er für einen LKW-Hersteller einen elektrischen Autobus, konstruiert einen Verbrennungsmotor und entwickelt einen neuartigen Personenwagen. Im Jahr 1904 gründen der spanische Rechtsanwalt und Unternehmer Damián Mateu als Geldgeber und Marc Birkigt als Chefkonstrukteur und Mitinhaber 1904 die Hispano-Suiza Fabrica de automoviles S.A., die spanisch-schweizerische Automobilfabrik.
Auch der noch junge spanische König Alfonso XIII ist beteiligt und von den luxuriösen und schnellen Automobilen begeistert. Im Ersten Weltkrieg entwickelt Marc Birkigt, der in der Zwischenzeit nach Frankreich umgezogen ist und dort eine Tochtergesellschaft gegründet hat, einen Flugzeugmotor. Frankreich kauft diesen Motor und kann dank ihm die Kontrolle über den Luftraum zurückerobern. Der Storch, Emblem einer besonders erfolgreichen französischen Fliegerstaffel, ziert ab sofort die Kühlerhauben der Hispano-Suiza-Autos.
Im Zweiten Weltkriegs werden die Hispano-Suiza-Unternehmen beidseits der Grenze zwangsverstaatlicht. Damit endet die Ära der Luxusautos. In Spanien werden neu Nutzfahrzeuge produziert, in Frankreich Flugzeugteile. Zwischen 1904 und 1946 hat Hispano Suiza über 12’000 Luxusautos und 50’000 Flugzeugmotoren hergestellt.
Späte Wiederauferstehung
Damián Mateus Sohn Miguel Mateu y Pla, der später auch spanischer Botschafter in Paris und Bürgermeister von Barcelona wird, versucht bereits 1949 vergeblich, Hispano Suiza wiederzubeleben. In den kommenden 50 Jahren sollte Hispano Suiza nur mit früheren Autos an Rallys und Ausstellungen teilnehmen und zwei Bücher über die Blütezeit des Unternehmens herausgeben, ohne aber neue Fahrzeuge zu produzieren.
Die Leitung der ansonsten inaktiven Firma Hispano Suiza wird von Miguel Mateu y Pla an seine Tochter Carmen Mateu de Suqué und später von dieser an ihren Sohn Miguel Suqué Mateu weitergegeben. Dieser präsentiert am Auto-Salon Genf 2000 überraschend den Hispano Suiza HS21 Concept Car, der in Zusammenarbeit mit Mazel Car Engineering entstand.
Im 2001 stellt Miguel Suqué Mateu am Auto-Salon Genf den Prototyp einer Luxuslimousine vor, den Hispano Suiza K8.
Am Auto-Salon Genf 2002 folgt der HS21-GTS, der für die Teilnahme am 24-Stunden-Rennen von Le Mans gedacht ist.
Hispano Suiza Carmen: Der Storch soll wieder fliegen
In den darauffolgenden Jahren werden keine weiteren Konzepte mehr präsentiert. Es werden jedoch Rallys organisiert, das 100-Jahre-Jubiläum der Marke und der 150. Geburtstag von Damián Mateu gefeiert, und ein nach Hispano Suiza benannter Platz in Barcelona eingeweiht.
Am Auto-Salon Genf 2019 aufersteht Hispano Suiza nun definitiv. Zu den Klängen der Arie «Die Liebe ist ein wilder Vogel» aus der Oper «Carmen», gesungen von Montserrat Caballé, enthüllen Miguel Suqué Mateu, sein Bruder Javier und seine Schwester Isabel das Fahrzeug. Dabei handelt es sich um einen rein elektrisch angetriebenen Hypercar mit 1’019 PS, den Miguel nach seiner Mutter «Carmen» benannt hat.
Die Karosserie aus Kohlefaser stellt eine Neuinterpretation des Concept Cars Dubonnet Xenia aus dem Jahr 1932 dar, der auf einem Hispano Suiza H6.B basiert. Carmen Mateu de Suqués Schönheit und Eleganz sollen sich im Hypercar widerspiegeln, der auch eine Nachbildung ihrer Unterschrift trägt. Entsprechend soll das Auto nur aus den besten Materialien hergestellt werden.
«Carmen» wird in Zusammenarbeit mit QEV Technologies gebaut, einem auf Elektromobilität spezialisiertem Unternehmen mit Sitz in Barcelona. Aus der kleinen Serienproduktion sollen insgesamt 19 Stück hervorgehen, die ab Ende 2019 bis 2021 produziert werden und zum Preis ab 1,5 Mio. Euro erhältlich sind.
Nach der Enthüllung drückt Miguel Suqué Mateu «Carmen» liebevoll ein Küsschen auf. Ob er das bei den 19 Exemplaren der Kleinserie wiederholen wird, konnte ich den Presseunterlagen nicht entnehmen.
Weitere Informationen sind auf der Webseite www.hispanosuizacars.com zu finden.
Ein Nachahmer aus der Schweiz
Eigentlich hätte am Auto-Salon Genf 2019 noch ein zweiter «Hispano Suiza» Premiere feiern sollen: Der «Maguari HS1 GTC» von Erwin Leo Himmel. Der in der Schweiz lebende Autodesigner aus Österreich ist gemäss eigenen Angaben ein grosser Bewunderer von Marc Birkigt und hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Charakter und die Grundsätze von Luxus, Komfort, Geschwindigkeit und Langlebigkeit von Hispano Suiza unter ebendieser Marke wiederaufleben zu lassen.
Erwin Leo Himmel hat im Jahr 2010 die Hispano Suiza Automobilmanufaktur AG mit Sitz in Zug gegründet und bereits am Auto-Salon Genf 2010 ein Concept Car unter dem Markennamen Hispano Suiza präsentiert: den auf einem Audi R8 basierenden «V10 Supercharged».
«Das Vermächtnis von Marc Birkigt wird fortgeführt», schreibt Erwin Leo Himmel in seiner Pressemitteilung zur Lancierung des Maguari HS1 GTC. Dabei setzt er auf einen 5,2-Liter-Biturbo-Motor mit zehn Zylindern, der 1’085 PS produziert. Dieser wurde vom erfolgreichen Flugzeugmotor inspiriert, den Marc Birkigt vor 100 Jahren entwickelt hatte, und teilt sich etliche Konstruktionsmerkmale mit diesem. Damit beschleunigt der Sportwagen in 2,8 Sekunden auf 100 km/h und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 380 km/h. 300 Exemplare sollen zum Preis von 2,2 Millionen Euro verkauft werden.
Himmel stellt sich auf den Standpunkt, dass die Markenrechte der Gründerfamilie verfallen seien und er sie deshalb für sich beanspruchen durfte. Er besitze die Markenrechte für Europa und für alle strategisch wichtigen Märkte weltweit.
Zumindest für die Schweiz ist Himmels Aussage aber nicht korrekt. So hat er erst im November 2018 ein Gesuch für eine Schweizer Marke «Hispano Suiza» hinterlegt. Da die spanische Firma der Gründerfamilie ebenfalls eine Schweizer Marke «Hispano Suiza» hinterlegt hat und dabei einen Prioritätsanspruch aus den USA geltend macht, wird das Institut für Geistiges Eigentum Erwin Leo Himmel den Markeneintrag ziemlich sicher verweigern. In diesem Fall wird er seinen Maguari nicht unter der Bezeichnung Hispano Suiza anbieten dürfen.
Auch beim Auto-Salon Genf musste Himmel eine Niederlage einstecken. Entgegen seiner Ankündigung ist sein Maguari hier nicht zu sehen. Miguel Suqué Mateu konnte den Nachahmer aus der Schweiz wohl verhindern. Ein weiterer Rechtsstreit zwischen der Gründerfamilie Suqué Mateu und Erwin Leo Himmel um den Namen «Hispano Suiza» scheint vorprogrammiert zu sein.
Verwirrung um die Wiederauferstehung von Hispano Suiza
Die doppelte Ankündigung der Wiederauferstehung von Hispano Suiza hat sogar den «Blick» verwirrt. In der Online-Ausgabe hat er zwar die Fotos des «Carmen» abgebildet, zitiert aber aus dem Pressetext des Maguari von Erwin Leo Himmel.
Auf meinen Hinweis hin hat der Blick den Artikel mit der Verwechslung abgeschaltet.
Für mich gibt es nur einen legitimen Hispano Suiza: das Auto der Urenkel von Damián Mateu.
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