Welches Elektroauto ist das richtige für mich?

Wer sich diese Frage stellt, hat hoffentlich am 27. August 2022 an der Seeland E-Mobilitäts-Show (SEMS) in Lyss vorbeigeschaut. Dort standen viele aktuelle Elektrofahrzeuge zum Probesitzen und Probefahren bereit.

Nächstes Jahr muss ich mehr Zeit einplanen. Das ist meine Erkenntnis der diesjährigen SEMS. Denn nach den zwei Probefahrten blieb mir fast nicht mehr genug Zeit, die übrigen Elektroautos zu erkunden.

Porsche Taycan 4S Cross Turismo

An die für einen Porsche eher ungewohnten Proportionen der Sportkombi-Ausführung «Turismo» muss man sich erst mal gewöhnen. Sie sorgt aber für ausreichend Kopffreiheit auch auf den Rücksitzen und einen beachtlichen Kofferraum. Die Cross-Version, die ich gefahren bin, ist leicht erhöht für eine bessere Geländegängigkeit. Zum richtigen Offroader wird der Sportwagen damit aber trotz Fahr-Modus für unbefestigte Strassen nicht. Muss er auch nicht. Dafür fährt er auf normalen Strassen und Autobahnen richtig toll. Im Innenraum hört es sich beim Fahren fast ein wenig nach Verbrennungsmotor an. Die Beschleunigung ist schon mit den 571 PS mehr als zügig. In 4,1 Sekunden erreicht man laut Herstellerangaben aus dem Stand 100 km/h, bei der Top-Version mit 761 PS schon in 2,8 Sekunden. Aber nur, wenn Launch Control aktiviert ist.

Dass es Porsche gerne kompliziert mag, zeigt sich auch in der Bedienung: Zuerst muss das Auto eingeschaltet werden, mit einem Knopf wie bei einem Computer links vom Lenkrad. Dann muss ein kleines Hebelchen auf der anderen Lenkrad-Seite für die Vorwärts- oder Rückwärtsfahrt umgelegt werden. Wer’s sportlich mag, kann dann noch am Rädchen am Lenkrad drehen, bis der gewünschte Fahrmodus gefunden ist. Am Ende der Fahrt drückt man den Park-Knopf und schaltet das Auto dann wieder aus. Will man das Auto aufladen, öffnet und schliesst sich die Lade-Klappe Sensor-gesteuert. Das ist extrem elegant gelöst. Dieser Funktion könnte ich stundenlang zuschauen.

Das Auto scheint mir ein Kompromiss zu sein. Die hinteren Sitzplätze und der Kofferraum sind zwar da, aber nicht so richtig. Die Beinfreiheit fehlt und ich frage mich, ob es nicht besser nur als Zweiplätzer oder zumindest mit nur zwei Türen konzipiert worden wäre. Eine längere vordere Türe wäre angenehmer zum Ein- und Aussteigen. Sitzt man erstmal auf dem Fahrersitz, fühlt sich das Wildleder-Lenkrad grossartig an. Aber es ist eher klein und dick und verhindert einen guten Blick auf die Instrumente, die relativ nahe dahinter auf einem Bildschirm angezeigt werden. Es gibt weitere Einstell-Möglichkeiten im Überfluss, was den Innenraum unübersichtlich und überladen macht. Irritieren tut mich auch die Uhr, die in der Mitte des Armaturenbretts hervorsteht. Sie zeigt Stunden und Minuten digital an, hat aber einen analogen Sekundenzeiger, der sich einmal pro Minute rundherum dreht.

Peugeot e-208 GT

Den elektrischen Peugeot 208 II wollte ich schon lange mal fahren. Es greift so viele Gestaltungs- und Zierelemente des 205 GTI wieder auf wie keiner seiner Vorgänger, und erinnert mich damit stark an mein erstes eigenes Auto. Mir gefällt das übersichtliche Cockpit mit sauber abgetrenntem Instrumenten-Bildschirm, einem zum Fahrersitz geneigten Zusatzbildschirm und eine Art Klavier mit sieben Kippschaltern, obwohl die eher willkürlich mit Funktionen belegt sind und die Klimaanlage und Scheibenheizungen steuern. Mit dem Schalt-Stummel in der Mittelkonsole lässt sich zwischen Vorwärts- und Rückwärtsfahren umschalten. Ein weiteres Mal ziehen aktiviert eine stärkere Verzögerung und damit mehr Rekuperieren beim Loslassen des Fahrpedals.

Ja, aber selbst bei voll durchgedrücktem Fahrpedal kommt das Auto kaum vom Fleck. Der Elektromotor leistet lediglich 136 PS, was für ein Leergewicht von gut 1,5 Tonnen einfach zu wenig ist. Mein 205 GTI mit Jahrgang 1990 hatte besser beschleunigt als dieses Auto. Was mir jedoch gefällt, ist die sehr direkte Lenkung, die schon auf kleinste Lenkbewegungen stark – vielleicht fast zu stark – reagiert.

Überrascht bin ich von der fast komplett fehlenden Beinfreiheit auf dem Rücksitz. Für längere Fahrten wäre mir das zu unbequem. Auch die Getriebe-Wulst, die bei einem Elektrofahrzeug eigentlich unnötig ist, nimmt Passagieren im Fond Platz weg. Sie zeigt, dass das Auto immer noch primär als Verbrenner konzipiert wurde. Davon verabschieden sich die Herstellerfirmen hoffentlich bald.

Ein breites Angebot

Erst nach diesen Probefahrten habe ich mich auf dem Ausstellungsgelände weiter umgeschaut. Und bin in möglichst viele Autos gesessen, auch hinten, und habe in den Kofferraum geschaut. Der Hyundai Ionic 5 ist wesentlich grösser, als er auf Bildern wirkt, hat hinten und im Kofferraum aber sträflich wenig Platz.

Das Design des neuen Nissan Ariya erinnert mich stark an den bisherigen Qashquai. Beide sind im Innenraum erfreulich aufgeräumt und geräumig.

Mehr Stauraum bietet der Skoda Enyaq, den ich auch mal noch probefahren möchte. Aber auch dieser Kofferraum wirkt, als stünde nicht mal die Hälfte des eigentlich vorhandenen Platzes zur Verfügung.

VW hat mittlerweile ein grosses Angebot an ID-Fahrzeugen. Der ID.2 in Polo-Grösse folgt nächstes Jahr, der Kleinbus ID.Buzz soll ab 2024 ausgeliefert werden.

Tesla fehlte leider erneut an der SEMS. Sie hätten ihre Teilnahme nur unter der Bedingung zugesagt, dass sie nicht die üblichen 300 Franken pro Auto bezahlen müssen, sondern gratis kommen dürfen. Was die Veranstalter verständlicherweise abgelehnt haben. Diese Haltung von Tesla ist bedauerlich. Sie verhindert, dass sich die interessierten Personen ein wirklich umfassendes Bild des aktuellen Angebots an Elektroautos machen können.

Fazit

Auch dieses Jahr standen an der Seeland E-Mobilitäts Show über zwanzig Elektroautos verschiedener Hersteller sowie elektrische Motorräder für Probefahrten bereit. Ein Angebot, das rege genutzt wurde. Und das ist gut, denn erst die Probefahrt kann skeptische Personen von der Elektromobilität überzeugen. Mir gefällt bei Elektroautos, dass die Motorleistung – sofern denn genügend vorhanden ist – sofort zur Verfügung steht. Das Auto muss nicht zuerst eine gewisse Drehzahl aufbauen oder das Turbo-Loch überwinden, bevor etwas geschieht, sondern beschleunigt direkt beim Drücken des Pedals. Und natürlich, dass sie beim Fahren die Umwelt nicht mehr belasten.

Deshalb mein Aufruf an alle: Gebt den Elektroautos eine Chance. Je mehr Hersteller neue EVs auf den Markt bringen, desto mehr ist für jeden und jede das passende Fahrzeug mit dabei. Macht eine Probefahrt und informiert Euch über das Thema. Ich bin sicher, Ihr findet dabei das richtige Elektroauto für Euch.

Permalink zu diesem Beitrag: http://ptrl.ch/sems2022

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