Tesla Model S P85D: Die elektrische Pistolenkugel
Der Tesla Model S ist die erste rein elektrisch angetriebene Limousine der Premium-Klasse. In der neuen Ausstattungsvariante P85D (das „P“ steht für Performance) sorgen gleich zwei kraftvolle Motoren für 700 PS Nennleistung – und eine unglaubliche Beschleunigung von 0-100 km/h in 3,3 Sekunden. Meine Probefahrt war dann auch atemberaubend!
Ich freue mich extrem, dass ich in meinem ersten Fahrbericht auf Petrolhead.ch ein reines Elektroauto vorstellen darf – also eins, das komplett ohne „Petrol“ auskommt. Elektroautos sind die Zukunft: Sie werden auch noch auf den Strassen unterwegs sein, wenn die nicht unbegrenzt vorhandenen fossilen Brennstoffe tatsächlich einmal aufgebraucht sind. Das Model S macht Hoffnung auf diese Zukunft. Es beweist, dass Elektroautos schön, schnell UND alltagstauglich sein können.
Schon der erste Blick auf den Tesla macht Lust auf mehr. Die sportlich-elegante Karosserie des Model S erinnert an einen Jaguar oder Maserati. Die geschwungenen Linien setzen sich im Innenraum fort. So sind beispielsweise die Türgriffe nur eine kurvige Ausbuchtung der Türverkleidung. Im Fahrersitz fühlt man sich sofort gut aufgehoben. Er ist anschmiegsam und bietet viel Seitenhalt. Sofort fällt der grosse Bildschirm (17 Zoll) zwischen Fahrer- und Beifahrersitz auf. Über ihn lässt sich alles steuern, zum Beispiel wie weit sich das grosse Dachfenster öffnen soll oder die Höhe der Luftfederung (gegen Aufpreis).
Tesla Supercharger
Dank einer SIM-Karte (Gebühren inklusive Roaming während vier Jahren inbegriffen) können Internetseiten und Google Maps aufgerufen werden, um Fahrstrecken zu planen (für die sichere Navigation ist ausserdem ein GPS-Modul vorhanden) und Staus erkennen und umfahren zu können. Wird die Akkuladung für die gesamte Strecke knapp, plant das Auto automatisch einen Zwischenhalt an einer Tesla Supercharger-Station ein.
Zurzeit gibt es in der Schweiz sieben dieser Schnelllade-Stationen in Beckenried (nähe Luzern), Egerkingen, Lully (Neuenburgersee), Maienfeld (nähe Chur), Martigny (Wallis), Monte Ceneri (Tessin), und St. Moritz. Eine weitere gibt es in Genf (jedoch gerade noch auf französischem Boden) und eine neue Station bei der Mühle Hunziken (nähe Bern) wurde soeben angekündigt. Hier wird die Batterie pro zehn Minuten Ladezeit ungefähr um 100 km aufgeladen. Die Aufladung an den Supercharger-Stationen ist kostenlos. Weltweit existieren bald 2’000 solcher Tankstellen mit durchschnittlich vier Anschlüssen.
Noch schneller wird das „Tanken“ mit den neuen Battery Swap Stationen gehen, von denen Ende 2014 in den USA die erste eröffnet wurde. In knapp drei Minuten wird das komplette Akku-Paket im Unterboden ausgetauscht, was ungefähr so viel wie eine herkömmliche Tankfüllung kosten wird. Auf Wunsch erhält man dann auf dem Rückweg der Reise wieder die eigene Batterie, in der Zwischenzeit wieder voll aufgeladen, eingebaut. Mit der 85 kWh-Batterie (das „85“ im Namen) können dann weitere 500 Kilometer gefahren werden.
Auf die inneren Werte kommt’s an!
Neben dem grossen Bildschirm ist der Innenraum sehr minimalistisch gehalten. Ausser einem zweiten Bildschirm hinter dem Lenkrad und den Lüftungsschlitzen gibt es gerade mal zwei Knöpfe am Armaturenbrett: einen für den Warnblinker und einen, um das Handschuhfach zu öffnen. Und es wird noch besser: Der Antriebsstrang ist nicht nur minimal, sondern fehlt dank des elektrischen Antriebs komplett. Vorne gibt’s an seiner Stelle ein grosses Ablagefach und hinten durchgehende Beinfreiheit.
Dafür hat der P85D sonstwo mehr: beim Motor. Der Allradantrieb dank Dual-Motor (das „D“ im Namen: ein Motor für die Vorderräder und einer für die Hinterräder) gehört mittlerweile zur Grundausstattung fast aller S-Modelle. Schon alleine der Frontmotor leistet mit 224 PS mehr als die meisten Benziner unter der Haube haben. Er steckt in der Nische des vorderen Stauraums, wobei aber nicht viel Platz verloren geht. Der auf Hochleistung gezüchtete Heckmotor ist mehr als doppelt so stark wie sein Kollege vorne. Die gemeinsame Kraft steht jederzeit zur Verfügung. Es ist nicht wie bei anderen nötig, das Auto zuerst darauf vorzubereiten, alle möglichen Knöpfe zu drücken und Einstellungen anzupassen, um einen Blitzstart hinzulegen. In 3,3 Sekunden von 0-100 km/h schaffen das sowieso nur wenige. Der P85D ist nicht nur das einzige Elektroauto, sondern auch die einzige viertürige Limousine, die so schnell beschleunigt.
(In diesem Tesla Model S gab es noch keinen Frontmotor, dafür eine Ablagenische mit Netz.)
Meine Probefahrt
Diese unglaubliche Beschleunigung möchte ich selbst erleben. Also natürlich nur bis zu den ausserorts erlaubten 80 km/h. Und da bleibt einem wirklich fast die Luft weg. Ich trete das Gaspedal (oder wie man bei Tesla lieber sagt: das Watt-Pedal) durch. Im gleichen Moment drückt es mich in den Sitz, während das Auto mit einem lauten elektrischen Summen wie aus der Pistole geschossen vorwärts schiesst. Das Ganze geschieht vollkommen mühelos und wie wenn es das Normalste der Welt wäre. Die Reifen quietschen nicht, das Auto zieht weder nach links noch nach rechts. Mir fällt sofort die Rock ’n‘ Roller Coaster Achterbahn im Disneyland Paris ein. Eine solche Beschleunigung habe ich bisher nur auf dieser erlebt. Im Tesla wäre es so weitergegangen bis zur elektronisch abgeriegelten Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h, wenn ich den Fuss nicht wieder vom Gas genommen hätte.
Auch sonst fährt sich das Model S grossartig. Die Batterien im Unterboden sorgen für einen extrem tiefen Schwerpunkt. Dadurch liegt das Auto in Kurven wunderbar auf der Strasse. Auch Kreiseldurchfahrten und Kurven fühlen sich an wie im Sportwagen. Trotz seines Gewichts von über zwei Tonnen neigt sich der Tesla kein bisschen zur Seite und macht jedes Manöver mit, ohne auch nur einen Bruchteil seiner Eleganz zu verlieren. Er ist Usain Bolt im dunklen Anzug.
Das ist anders als beim Benziner
Beim Tesla gibt es zwei grundlegende Unterschiede zu herkömmlichen Autos – und beide sind grossartig:
1. Das direkte Ansprechen: Gebe ich Gas, gibt das Auto Gas. Es braucht kein Herunterschalten, um genügend Kraft fürs Beschleunigen zu erhalten. Die volle Leistung steht immer und völlig verzögerungsfrei zur Verfügung. Umgekehrt geht die Geschwindigkeit auch schnell zurück, wenn ich den Fuss vom Gas nehme. Dabei wird übrigens Energie zurückgewonnen. Wen das stört, kann einen tieferen Rekuperations-Modus auswählen, mit dem das Auto konventioneller ausläuft.
2. Das Gaspedal: Während bei den aktuellen Gangschaltungen mit sechs, sieben, acht oder neun Gängen die Drehzahl nach dem Hochschalten immer wieder tief ist und das Gas entsprechend weniger durchgedrückt werden muss, gibt’s im Tesla nur einen einzigen Vorwärtsgang. Das Auto fährt also wirklich schneller oder langsamer, je mehr oder weniger ich das Gaspedal durchdrücke. Eine besonders schnelle Fahrt verlangt ein besonders stark gedrücktes Pedal. Das ist ungewohnt anders.
Daneben sind beim Tesla die laufenden Kosten tiefer. Der Elektroantrieb ist wartungsfrei, so dass nur Reifen und Bremsen kontrolliert und bei Bedarf ersetzt werden müssen. In vielen Kantonen muss – zumindest während einer gewissen Zeit – keine Strassenverkehrsgebühr bezahlt werden und gewisse Motorfahrzeugversicherungen geben Rabatte. Und man muss nicht mehr fürs Benzin bezahlen. Fortschrittliche Arbeitgeber haben Ladestationen und zur Not kann der Tesla auch über eine normale Steckdose geladen werden. Der Kaufpreis von gut 100’000 Franken (das Basismodell kostet 73’100 Franken) rechnet sich also bald.
Die Zukunft kommt per Update
Regelmässige Updates sorgen für ständig neue Funktionen. Seit meiner ersten Fahrt in einem Tesla Model S wurden beispielsweise Führungslinien zur Rückfahrkamera hinzugefügt, so dass nun auch klar ist, wohin man genau rückwärts fährt. Mit den bereits jetzt rundum angebrachten Kameras ist autonomes Fahren völlig ohne Mensch am Steuer möglich… und kommt voraussichtlich mit dem übernächsten Update im Sommer/Herbst 2015. Zumindest, um zu Hause schon mal aus der Garage zu fahren und den Innenraum auf die bevorzugte Temperatur zu kühlen oder zu heizen, bis man den Kaffee getrunken hat und bereit ist für den Arbeitsweg.
Nach dem Model S kommt schon bald das Model X, eine Mischung aus SUV und Minivan, dessen hintere Türen sich nach oben öffnen. Danach folgt das Model 3, ein preisgünstigeres Auto in der Grösse des Audi A4 für die breite Bevölkerung.
Und Firmenchef Elon Musk plant noch mehr: Über Twitter hat er eine „bedeutende neue Produktelinie – kein Auto“ angekündigt (übrigens für Ende dieses Monats). Danach stieg der Aktienkurs von Tesla um 900 Millionen US-Dollar. Ich vermute mal, dass es sich um eine Superbatterie handelt, zum Beispiel für die Notstromversorgung kleinerer Unternehmen oder als Stromspeicher für Wohnhäuser, der entweder über Solarzellen oder den günstigen Nachtstrom aufgeladen wird.
Vielen Dank, Tesla, für die Probefahrt! Zur Webseite von Tesla: www.teslamotors.com/de_CH. Lest unbedingt auch die Antworten auf die vier häufigsten Fragen: Wie weit kann ich fahren? Wie lange dauert das Aufladen? Wie gehe ich auf grosse Fahrt? Wie viel kann ich sparen?
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[…] auf einen Benziner wechseln.“ Er fährt das Spitzenmodell P85D, das ich im vergangenen Sommer Probe gefahren bin. Das Tanken erledige er eigentlich nur an den Superchargern, die mittlerweile recht gut überall in […]
[…] Tesla Model S P85D: Die elektrische Pistolenkugel (12. April 2015) […]