Ein Besuch in der Lamborghini-Fabrik und -Museum

Sind wir hier richtig? Seit einer Viertelstunde fahren wir über ein Netz an verlassenen Landstrassen, die mit grossen Kreiseln miteinander verbunden sind. Die wenigen Häuser, an denen wir vorbeikommen, sehen verlassen oder verlottert aus. Doch dann rast etwas Flaches, Schnittiges an uns vorbei. Wenig später stehen wir vor der Lamborghini-Fabrik in Sant’Agata Bolognese in der Nähe von Bologna in Italien, wo wir für eine Fabrikbesichtigung und den Besuch im Lamborghini-Museum angemeldet sind.

Fabrikbesichtigung mit Kopfhörer

Wir erhalten Kopfhörer und werden dann in einer kleinen Gruppe in die Fabrik geführt. Dazu müssen wir raus in den Regen und ein Stück dem Gebäude entlanglaufen bis zum ursprünglichen Eingang. Die Tourleiterin erzählt kurz, wie der erfolgreiche Traktorhersteller Ferruccio Lamborghini mit der Kupplung seines Ferraris 250 GT nicht zufrieden war, weil sie häufig kaputt ging. Enzo Ferrari habe ihm daraufhin gesagt, er solle besser weiterhin Traktoren fahren. Es könne halt nicht jeder einen Sportwagen bedienen. Daraufhin entschied sich Ferruccio, selbst bessere und verlässlichere Autos zu bauen als Ferrari.

Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Dann betreten wir die Fabrikhalle und befinden uns gleich mitten in der Huracán-Produktionslinie. An 13 Stationen entstehen hier jeden Tag 13 Lamborghinis. Ein Roboter (übrigens der einzige, wie die Mitarbeiterin betont) zieht ein Chassis mit einer bereits lackierten Rohkarosserie zur ersten Station. Im 35-Minuten-Takt werden Karosserie-Teile, Scheiben, Sitze, Armaturenbrett, Motor, Räder und alle übrigen Bestandteile rein von Hand montiert. Grosse Bildschirme mit einem Countdown zeigen an, wie lange es noch bis zum nächsten Stationswechsel dauert. Alle Lamborghinis werden nur auf Bestellung gebaut. Hier entstehen quer durcheinander Huracáns in verschiedenen Farben, mit und ohne Dach, auch mal mit dem Steuerrad auf der rechten Seite für Japan oder England, und sogar eine GT3-Rennversion ist gerade dabei.

In einer zweiten Produktionslinie entsteht der Lamborghini Aventador. Hier gibt es nur sechs Stationen, an denen jeweils 75 Minuten lang gebaut wird, wobei jeden Tag sechs Autos fertig werden. Dementsprechend lange ist die Wartezeit. Wer heute einen Aventador bestellt, erhält ihn frühestens ein Jahr später, während ein Huracán-Käufer nur 6-7 Monate warten muss. Wir kommen gerade zur richtigen Zeit, um die «Hochzeit» mitzuerleben: den Einbau des Motors in das Auto. Der ist etwa 400 kg schwer und wirklich riesig – ein 12-Zylinder-Motor halt. Nur bei Lamborghinis mit 12 Zylindern gibt es übrigens die berühmten Scherentüren, die sich nach oben öffnen. Beim Huracán mit «nur» 10 Zylindern gehen die Türen konventionell auf… was ich ein wenig enttäuschend finde.

Lamborghini Chassis und Rohkarosserie im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

An beiden Produktionslinien wird nach der Schlusskontrolle der Motor gestartet. Ein Testfahrer fährt den Lamborghini in eine Kabine, in der die Motorleistung und die Bremsen geprüft werden. Danach wird jeder Lamborghini auf den Strassen von Sant’Agata Bolognese probegefahren. Bei jedem Wetter, wie die Tourleiterin versichert. Ob es die beste Idee ist, jetzt bei Schneeregen einen zum Beispiel für Kalifornien bestimmten Lamborghini mit Sommerreifen zu testen?

In weiteren Teilen der Fabrik entstehen die riesigen Motoren und werden die Sitze, das Armaturenbrett und die Innenverkleidungen aus dem besten Leder genäht, bei dem aus zahlreichen Farben ausgewählt werden kann. Interessant, wie gerade ein Mitarbeiter eine grosse Lederhaut kontrolliert und kleine Stellen mit Fehlern markiert, an denen das Tier vielleicht mal von einer grossen Mücke gestochen wurde oder eine Narbe hat. Diese Fehler werden dann beim Ausschneiden ausgespart. Lamborghini ist stolz darauf, dass alles mit Ausnahme der Lackierung hier vor Ort von eigenen Mitarbeitern hergestellt wird. Und, dass sich die Fabrik immer noch am selben Standort befindet wie bei der Firmengründung im Jahr 1963, vor 55 Jahren.

Neben dieser Fabrik entsteht gerade eine weitere Fertigungshalle, in der ab diesem Jahr jährlich 1’000 Lamborghini Urus gebaut werden sollen.

Leider war in der Fabrik das Fotografieren nicht erlaubt.

Kleines, aber feines Lamborghini-Museum

Nach ungefähr 45 Minuten sind wir zurück aus der Fabrik und stehen wieder im Lamborghini-Museum, in dem viele Fahrzeuge – wenn auch nicht alle, und nicht alle Versionen – zu sehen sind. Die ausgestellten Fahrzeuge wechseln regelmässig.

Im Erdgeschoss begrüsst uns dieser wunderschöne Lamborghini Miura mit seinen auffälligen Augenbrauen.

Lamborghini Miura im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Daneben stehen ein roter Lamborghini 350 GT, ein goldener Lamborghini Diablo (nach dem Facelift, nicht mehr mit den Klappscheinwerfern), ein grauer Lamborghini Espada und ein oranger Lamborghini Murciélago – eine illustre 12-Zylinder-Runde.

Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Lamborghini Diablo im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Lamborghini Espada im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Als Meisterwerk besonders hervorgehoben wird ein grüner Lamborghini Countach in seiner ersten, reinen Form. Die riesige, flache Windschutzscheibe und die ungewöhnliche Form der hinteren Kotflügel fallen hier besonders gut auf. Mir persönlich gefällt der Countach in der späteren LP500S-Version am besten, mit Kotflügelverbreiterungen, Frontspoilerlippe und dem riesigen Heckflügel.

Lamborghini Countach im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Hinter der Wendeltreppe in den oberen Stock stehen ein «normaler» Lamborghini Huracán und eine Rennversion.

Lamborghini Huracán GT3 im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Über die Wendeltreppe geht’s nach oben in den ersten Stock und zu weiteren spannenden Modellen.

Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Lamborghini Centenario im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Der Lamborghini Centenario wurde 2016 zum 100. Geburtstag von Lamborghini-Gründer Ferruccio Lamborghini gebaut – in nur 20 Exemplaren als Coupé und 20 als Roadster ohne Dach. Zu beiden Versionen gibt es einen zusätzlichen Prototyp. Hier steht der Roadster-Prototyp, während wir das Coupé-Pendant am Auto-Salon in Genf gesehen hatten.

Lamborghini Centenario im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Lamborghini Centenario im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Lamborghini Centenario im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Gleich daneben steht der Lamborghini Veneno, ein weiteres Sondermodell, dieses zum 50-Jahr-Jubiläum der Automarke Lamborghini, von dem (neben diesem) nur drei Modelle gebaut wurden (und neun als Roadster). Wie der Centenario basiert auch er auf dem Aventador-Chassis.

Lamborghini Veneno im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Lamborghini Veneno im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Daneben steht ein Concept Car aus dem Jahr 2014, der Lamborghini Asterion, der als Hybrid auch einen Elektromotor enthielt. Obwohl er nie in Serienproduktion ging, sind einige seiner Elemente in neueren Modellen zu finden, zum Beispiel der Rücklicht-Streifen im Veneno und im Centenario oder – so habe ich zumindest das Gefühl – einige Formfaktoren der Frontpartie im Urus.

Lamborghini Asterion im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Lamborghini Asterion im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Das nächste Modell in der Reihe ist der Lamborghini Sesto Elemento, eine weitere Kleinstserie von nur 20 Exemplaren auf Basis des Lamborghini Gallardo, der nicht strassentauglich ist und nur auf der Rennstrecke gefahren werden darf. Der liegt so tief auf der Strasse, dass das nicht weiter verwundert.

Lamborghini Sesto Elemento im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Lamborghini Sesto Elemento im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Lamborghini Sesto Elemento im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Als letzter in dieser illustren Reihe steht das Konzept von 2006 für eine Neuauflage des Miura im Retro-Look – und das recht gelungen. Schade, dass daraus nichts wurde. Lamborghini blicke immer nur in die Zukunft, nie zurück, erklärt die Museumsmitarbeiterin den Grund.

Lamborghini Miura Concept im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Lamborghini Miura Concept im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Weiter drüben stehen ein weisser Lamborghini Silhouette und ein gelber Lamborghini Jalpa aus den späteren 70er- bzw. frühen 80er-Jahren.

Lamborghini Jalpa im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Dann folgt ein weisser Lamborghini Huracán mit goldenen Akzenten und der Original-Unterschrift von Papst Franziskus, der darauf wartet, am 12. Mai 2018 für wohltätige Zwecke versteigert zu werden.

Lamborghini Huracán mit Unterschrift von Papst Franziskus im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Daneben steht der erste Anlauf von Lamborghini, einen Geländewagen zu bauen, den Cheetah, gedacht für die US-Armee. Diese kaufte dann aber doch den Humvee/Hummer, der vom Cheetah inspiriert war und eine sehr ähnliche Form aufweist.

Lamborghini Cheetah im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Lamborghini Cheetah im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Aber der richtige Geländewagen, der Lamborghini LM002, basiert auf dem Cheetah. Immerhin gut 300 Stück davon wurden gebaut.

Lamborghini LM002 im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Weit mehr Exemplare will Lamborghini mit seinem SUV Urus verkaufen, dessen Vorführmodell hier steht – und ein richtiges Modell steht unten auf dem Parkplatz. Die Produktion beginnt erst dieses Jahr.

Lamborghini Urus im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Lamborghini Urus im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Lamborghini Urus im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Tipps für den Besuch

Die Fabrikbesichtigung und das Lamborghini-Museum haben uns sehr gut gefallen. Aber leider gibt es keinen Shop, um T-Shirts, Modellautos, Bücher, Poster oder überhaupt irgendetwas rund um Lamborghini zu kaufen. Eine verpasste Gelegenheit und wirklich schade für Fans.

Und auch nach einem Restaurant fragen wir den freundlichen Herrn vergeblich, der bei unserer Ankunft bei Lamborghini an diesem Regentag mit einem grossen Schirm hergeeilt kommen. Aber nicht, um uns im Trockenen zum Eingang zu geleiten, sondern um uns wegzujagen. Ein Restaurant und die Besucherparkplätze gäbe es «irgendwo dort drüben in der Industriezone».

Ich empfehle also, vor dem Lamborghini-Besuch in einem Restaurant in Bologna etwas zu essen oder ein Sandwich mitzunehmen. Ansonsten gibt es der Nähe nur das Ristorante Da Taiadela, in dem viele Fabrikarbeiter essen, und die Bull Bar schräg gegenüber der Lamborghini-Zufahrt für Snacks und Sandwiches. Sowieso überrascht, dass die abgelegene Industriezone nicht besser auf Lamborghini-Fans ausgerichtet ist. Und auch das nahe Städtchen Sant’Agata Bolognese und die ganze Gegend konnten scheinbar nicht am Erfolg von Lamborghini teilhaben.

Die Fabrikbesichtigung wird auf Englisch und Italienisch angeboten und kostet rund 100 Franken (75 Euro) pro Person. Fotoapparate, Smartphones mit Kamera und Taschen dürfen nicht mitgenommen werden. Für sie stehen kostenlose Schliessfächer (inklusive Lademöglichkeit für Smartphones – Kabel mitnehmen) zur Verfügung. Für die Fabrikbesichtigung ist eine Voranmeldung erforderlich, die unbedingt ein paar Wochen im Voraus getätigt werden soll. Dasselbe gilt für eine Führung durch das Museum. Informationen zum Besuch und verfügbare Termine sind hier ersichtlich: lamborghini.com

In der Fabrikbesichtigung (von Montag bis Freitag, mit Ausnahmen) ist der Museumsbesuch ohne Führung enthalten. Das Museum kann auch separat besucht werden. Führungen durch das Museum werden nur am Samstag und Sonntag angeboten.

Die Lamborghini-Fabrik und das Museum an der Via Modena 12 in Sant’Agata Bolognese sind in viereinhalb Stunden ab Luzern erreichbar. Rechnet ein paar Minuten mehr ein für die Parkplatzsuche und den Spaziergang zum Eingang.

Lamborghini Veneno im Lamborghini-Museum in Sant'Agata Bolognese

Permalink zu diesem Beitrag: http://ptrl.ch/lambo

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