«FunBoost»: Mit dem Buggy über Schnee und Eis driften

Bei Schnee und Eis auf der Strasse sollte man eigentlich langsam und vorsichtig fahren. Nicht jedoch, wenn der Schweizer Rennfahrer Fredy Barth mit im Spiel ist. Bei seinem «FunBoost»-Angebot sind sieben Teams in leistungsstarken Buggys mit dicken Stollenreifen auf einer abgesperrten Strecke unterwegs und rasen, rutschen, driften, schlittern und schleudern über die schnee- und eisbedeckte Bahn. Das macht jede Menge Spass.

Der «FunBoost»-Sonntag

Wir treffen kurz vor neun Uhr am Sonntagmorgen in Seelisberg im Kanton Uri ein. Unglaublich, wie angenehm der Verkehr auf der Autobahn um diese Zeit ist! Wir werden mit Kaffee und Gipfeli empfangen und erhalten die passende Rennkleidung. Voller Vorfreude, aber auch mit einer gehörigen Portion Respekt beäugen wir schon mal die Buggies, die draussen bereitstehen.

FunBoost: Frühe Fahrt nach Seelisberg

Funboost: Ankunft im Eventcenter Seelisberg

Zuerst müssen wir nun beim Boss in die Schule: Wir lernen, welche Flagge, die uns später gezeigt wird, was bedeutet. Das ist wie «Sheldon Cooper presents: Fun with Flags», meint Fredy Barth. Der Verweis auf The Big Bang Theory, einer meiner Lieblings-Fernsehserien, macht ihn gleich doppelt so sympathisch. Die blaue Fahne ist nur halb so gross wie die andern. Ein Teilnehmer habe die richtige Fahne kaputt gemacht, erklärt Fredy. Sie will keiner sehen. Zusammen mit der Team-Nummer zeigt sie dem Fahrer nämlich an, dass er Platz machen und jemanden überholen lassen muss. Das erklärt alles.

FunBoost: Theoriestunde mit Fredy Barth

FunBoost: Die Strecke (nachbearbeitet)

Dann gehen wir nach draussen und sehen uns die kleinen Rennwagen aus der Nähe an. Zuerst fallen die Reifen auf: vorne schmal und mit Rillen, hinten breit und mit dicken Stollen. Rohre links und rechts der Fahrerkabine schützen bei einem seitlichen Aufprall, Stossstangen vorne und hinten gibt es keine. Auch die Windschutzscheibe fehlt. Stattdessen bietet ein Gitter Schutz. Die Türe links und nur das Fenster rechts lassen sich mit Scharnieren an der A-Säule schräg nach oben öffnen. Der grosse Heckspoiler ist bei den Geschwindigkeiten im Schnee wohl eher Dekoration.

FunBoost: Der Eis-Buggy

FunBoost: Der Eis-Buggy

Auch in der kleinen Kabine gibt es viel Spezielles: Das Steuerrad ist abnehmbar zum einfacheren Ein- und Aussteigen. Links davon befindet sich ein roter Hauptschalter, rechts der Startknopf. Der 130 PS starke und 350 kg schwere Flitzer verfügt über eine 6-Gang-Motorradschaltung: nach vorne drücken zum Hinunterschalten, nach hinten ziehen zum Hochschalten. Der Motor befindet sich hinter dem Fahrer. Ein grosser Ventilator sorgt für die nötige Kühlung, wenn dem Wagen der Fahrtwind fehlt, zum Beispiel wenn man im Schnee feststeckt oder sich mit Vollgas nur um die eigene Achse dreht.

FunBoost: Im Eis-Buggy

FunBoost: Im Eis-Buggy

Los geht’s!

Dann wird es Zeit, hinter dem Steuer Platz zu nehmen. Sieben Vierer-Teams sind am Start. Die Team-Mitglieder wechseln sich ab. Auch am Nachmittag bei der Zwei-Stunden-Challenge wird es jede Viertelstunde einen Fahrerwechsel geben. Einer steigt aus, einer ein, und zwei helfen beim An- und Abgurten. Das will geübt sein!

Wir reihen uns im zusammengewürfelten Team 7 der Grösse nach ein. Werden die Fahrer der Reihe nach kleiner, müssen die Gurte beim Fahrerwechsel nur wenig gelöst werden. So kann Zeit gewonnen werden. Jeder fährt ein paar Einführungsrunden auf der 700 Meter langen Rundstrecke, bevor die eigentlichen Trainingsfahrten beginnen. Wir gehen sie noch ziemlich verhalten an… und trotzdem dreht es mich gleich in der ersten Kurve. Zu viel Gas.

FunBoost: Einführungsfahrt hinter dem Pace Car

Doch wir steigern uns schnell. Das Gefühl für den Schnee und das Driften wird immer besser – auch wenn Fredy Barth ausgerechnet zu diesem Punkt keine Tipps gab. Wir machen das mit «Learning by doing». Zwischendurch zieht der Land Rover Discovery immer mal wieder einen der «FunBoost»-Buggies aus dem Schnee. Doch auch aus Fehlern lernt man.

Fliegender Start

Nach dem Mittagessen mit einem riesigen Salatteller, Geschnetzeltem mit Rösti-Talern und einem Dessert gilt es dann ernst. Nach einem Gruppenfoto schnallen wir unseren ersten Fahrer hinter das Steuer. Nach einer langsamen Runde hinter dem Land Rover als Pace Car geht’s mit einem fliegenden Start los.

FunBoost: Mittagessen

FunBoost: Dream-Team Nr. 7: Jan, Philipp, Mirco und ich (v.l.n.r.)
Dream-Team Nr. 7: Jan, Philipp, Mirco und ich (v.l.n.r.)

Der Unterschied zum Morgen könnte nicht grösser sein. Über Mittag haben sich alle zu richtigen Profis gewandelt! Die Buggys schiessen nur so über die Bahn, brechen links und rechts aus vom vielen Gas. In den Kurven geht’s aber gemächlicher zu und her. Die Strecke wurde neu präpariert und eine besonders eisige Stelle  in der Kurve vor der Boxengasse weiträumig abgesperrt.

Wir beobachten das Geschehen für ein paar Minuten und machen uns dann schon bereit für den ersten Fahrerwechsel. Jedes Team ist selbst dafür verantwortlich, dass ihr Auto rechtzeitig an die Boxen fährt und sie auch rechtzeitig wieder verlässt. Es gibt eine früheste und eine späteste Zeit, die eingehalten werden muss. Jede Viertelstunde muss gewechselt werden, so dass während der zweistündigen «FunBoost Challenge» jede Fahrerin und jeder Fahrer zwei Mal fährt.

Flinker Fahrerwechsel

Ich setze den Helm auf und streife die Handschuhe über. Ich bin nämlich als zweiter dran. Wir winken unsern Fahrer rein. So schnell es geht löst er die Gurte und steigt aus. Ich zwänge mich rein. Der Fünf-Punkte-Gurt ist immer die grösster Herausforderung. Hände von links und rechts helfen beim Festbinden. Dann den Hauptschalter ein, Startknopf drücken, den ersten Gang einlegen, und los.

FunBoost: Thomie mit dem Eis-Buggy

FunBoost: Thomie im Eis-Buggy

Bevor jeder Buggy die Boxengasse verlässt, überprüft Fredy Barth den Sicherheitsgurt. Und schon bin ich auf der Strecke. Jetzt bloss keinen Fehler machen. Schliesslich will ich nicht im Schnee stecken bleiben oder bei Drehern wertvolle Zeit verlieren. Die Sicht durch das Gitter hat sich nicht verbessert. Vor allem auf dem Weg Richtung Berg verschwimmt der weisse Vordergrund mit dem weissen Hintergrund. Nur ein paar orange Kegel weisen den richtigen Weg.

Der Streckenposten schwenkt die blaue Fahne mit meiner Nummer drauf. Das ist das Zeichen, dass ich mich überholen lassen muss. So fies. Ich fahre also näher zum linken Rand und gehe vom Gas. Ein anderer Buggy zieht vorbei und ich hänge mich gleich wieder dran. Überholen ist übrigens nur auf diesem Stück erlaubt und auch nur nach Ansage. Natürlich auch aus Sicherheitsgründen.

FunBoost: Driften im Schnee

FunBoost: Die Kurve beim Eventcenter

Nach ein paar Runden werde ich immer besser. Ich muss nur noch ein anderes Team vorbeifahren lassen, darf aber selbst auch jemanden überholen. Die Kurven klappen gut. Es braucht ein bisschen Gas, um das Heck herumzuschwingen, aber nicht zu viel, und natürlich genug Gegensteuer. Vor der langen Kurve muss ich abbremsen, um nicht von der Bahn zu rutschen. Am besten geht’s hier mit einem alten Trick: Herunterschalten. Durch die kurze Verzögerung verlieren die Hinterreifen gerade lange genug die Haftung, um leicht quer zu kommen. Dann wieder Vollgas. Die Analyse nach der Challenge zeigt: Ich bin mit rund 39 Sekunden die schnellste Rundenzeit unseres Teams gefahren.

Jedes Mal, wenn ich an der Boxengasse vorbeifahre, halte ich nach dem Schild mit unserer Nummer Ausschau. Viel zu früh hält mein Kollege es hoch. Ich hätte noch lange weiterfahren können. Ich steuere also auf die Ausfahrt zu und stürze mich so schnell es geht aus dem Buggy. Puuh, was für eine Fahrt!

FunBoost: Um die Kurve driften

FunBoost: Thomie voll in Fahrt

Flott ins Ziel

Nach einer kurzen Verschnaufpause bespreche ich mich mit den andern beiden Teammitgliedern. Ich schildere meine Eindrücke der leicht angepassten Strecke und welche Linie die Leute vor mir gefahren sind.

Da raucht es auf der Strecke. Fredy Barth hatte uns noch gewarnt, beim Schalten zu kuppeln, beim Fahren immer ganz von der Kupplung zu gehen, und halt trotz grossem Drehzahlbereich den Motor nicht zu überdrehen. Zum Glück ist es nicht unser Wagen, der wenig später in die Boxengasse einbiegt und dabei immer noch eine Rauchwolke hinter sich her zieht. Bald folgt ein zweiter Wagen. Die sind wohl beide zu dicht am Limit gefahren. Ein Auto kann später wieder zurück auf die Bahn, für das andere Team ist hier Schluss. Scheinbar ein Motorschaden wegen zu hohen Drehzahlen.

FunBoost: Rauch!

FunBoost: Rauch!

Eine gute Stunde später und nach meinem zweiten Einsatz hinter dem Steuer wird die schwarz-weiss karierte Fahne geschwenkt. Wir haben natürlich gewonnen… zumindest im Herzen. In Wirklichkeit waren vier andere Teams schneller – aber alle mit Profis, die das definitiv nicht zum ersten Mal gemacht haben. Nur drei Sekunden Unterschied trennen die ersten zwei Plätze voneinander. Da ist es also wirklich auf das Tempo beim Fahrerwechsel angekommen. Naja, nächstes Mal holen wir uns auch einen Pokal!

FunBoost: Die Zielflagge

Pokalverleihung: Wir gehen leider leer aus.

FunBoost: Preisverleihung

FunBoost: Die Pokale

Für heute haben wir auf jeden Fall alle viel gelernt, unser fahrerisches Können verbessert und dazu beigetragen, die Fahrsicherheit zu erhöhen. Falls wir zukünftig mal die Haftung auf der Strasse verlieren sollten, reagieren wir hoffentlich richtig, um die Kontrolle wiederzuerlangen. Um all das ging es schliesslich beim «FunBoost»-Tag. Und natürlich um ganz viel Spass… und den hatten wir.

Rennfahrer werden

Bevor wir uns wieder auf den Weg machen, frage ich Fredy Barth nach Tipps, wie man es am besten anstellt, Rennfahrer zu werden. Er hat gleich zwei:

  • Angehende Rennfahrer sollten einen Unterstützer mit viel Geld finden. Denn Rennfahren kostet viel Geld. Fredy verbringt – oder zumindest verbrachte – etwa 80% der Zeit mit der Sponsorensuche.
  • Kartfahren bietet einen guten Start in die Profi-Karriere. Von hier aus können Fahrer immer weiter und in die verschiedenen Tourenwagen- und Formel-Rennklassen aufsteigen.

«FunBoost» im Internet

Die Veranstaltung am 26. Februar 2017 war der letzte «FunBoost»-Event dieser Saison. Schon bald beginnen die Sommer-Angebote: Fredy Barth bietet Trackdays auf verschiedenen Formel-1-Rennstrecken in Frankreich, Deutschland und Italien an. Gefahren wird dabei mit dem eigenen Auto. Naja, das wäre mir dann doch nicht geheuer. Oder man kann sich als Beifahrer im Renntaxi von Fredy Barth über die Rennstrecke chauffieren lassen.

Ende 2017, sobald der erste Schnee liegt, wird das «FunBoost»-Angebot hoffentlich wieder zurückkehren. Bleibt unter www.funboost.ch auf dem Laufenden.

Ein Stück Schweizer Geschichte

Auf der Karte habe ich gesehen, dass das Rütli gar nicht weit weg ist. Auf dem Nachhauseweg fahren wir noch kurz hier vorbei… oder zumindest so nahe es geht. Von weit oben über dem Vierwaldstättersee blicken wir hinunter auf die Wiese, auf der die Schweiz vor über 700 Jahren gegründet wurde.

Ausblick auf den Urnersee

Blick hinunter auf die Rütli-Wiese

Wer ist Fredy Barth?

Als Frédéric Barth im Alter von neun Jahren als Beifahrer des dreifachen Formel-1-Weltmeisters Niki Lauda einige Runden auf der Monza-Rennstrecke drehen durfte, hat ihn das Motorsport-Fieber gepackt: Er wollte auch Rennfahrer werden.

Fredy startete in den Kartsport und besuchte als Zwanzigjähriger eine Rennfahrerschule in Magny-Cours. In der Formel Renault Campus fuhr er erste Podiumsplätze ein. Im Laufe der Zeit war Fredy in verschiedenen Tourenwagen unterwegs, zuletzt im Seat León und und mit einem BMW 320 TC.

Heute lebt er vom und für den Motorsport. Er fährt immer noch Rennen, gibt daneben aber sein Wissen auch gerne weiter. Als Instruktor führt er Track Days auf Rennstrecken in Frankreich, Deutschland und Italien durch und vermietet dazu auch vollwertige Rennwagen – von BMWs und Porsches bis hin zu Rennversionen des Lamborghini Huracan, Nissan Nismo und Mclaren 650S. So will er allen Interessierten die Möglichkeit bieten, Rennluft zu schnuppern und seine Leidenschaft für den Motorsport zu teilen. Schade, dass Rundstrecken-Rennen in der Schweiz immer noch verboten sind.

Daneben unterstützt Fredy Barth die Stiftung Kinderkrebsforschung Schweiz, nachdem er im Alter von 19 Jahren selbst an Lymphdrüsenkrebs erkrankte. Er wirkt ausserdem in der Schweizer Autosendung «Tacho» mit und ist als Autojournalist tätig.

FunBoost: Thomie mit Fredy Barth

Danke für den tollen Tag!

Permalink zu diesem Beitrag: http://ptrl.ch/funboost

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