Swiss E-Prix 2019: Elektro-Bolliden zischen durch Bern

In Bern ist das Rennfieber ausgebrochen! Zum Swiss E-Prix 2019 sind am 22. Juni 2019 nicht nur Zuschauer aus Bern, sondern auch aus dem Rest der Schweiz und dem Ausland angereist. Die kostenlosen Zuschauerplätze, die vielen Essensstände, das unerwartet gute Wetter und natürlich auch die wunderschöne Kulisse der Berner Altstadt haben den Renntag zum Sommerfest werden lassen. Aber auch die leisen Rennwagen mit ihren Elektromotoren haben zur entspannten Atmosphäre beigetragen.

Ein E-Prix in Bern?

Passt der Swiss E-Prix zu Bern? Diese Frage wurde im Vorfeld des Rennens immer wieder gestellt. Denn eigentlich mögen der grüne Stadtpräsident Alec von Graffenried und der rot-grüne Gemeinderat Autos nicht und wollen sie möglichst aus der Stadt verbannen. So laufen Bestrebungen, einen grossen Teil der Parkplätze in der Altstadt aufzuheben. Die Elektromobilität, die beim Swiss E-Prix im Zentrum steht, passt aus der Sicht des Gemeinderats hingegen sehr gut zur Stadt Bern. Als Austragungsort setzt sich Bern als attraktive Stadt und schönes Reiseziel für Touristen ins rechte Licht. Ausserdem soll das Rennen die Diskussion um Elektromobilität beflügeln.

Swiss E-Prix 2019 in Bern

Swiss E-Prix 2019 in Bern

Doch nicht allen passt es, dass der Swiss E-Prix in Bern stattfindet. Neben den Anwohnern der Strecke, die während den Auf- und Abbauarbeiten viele Einschränkungen in Kauf nehmen mussten, erhielt der grüne Stadtpräsident viel Kritik aus den eigenen Reihen. Denn auch wenn beim Rennen elektrisch angetriebene Rennwagen unterwegs sind, so verursacht das ganze Drumherum viele herkömmliche Emissionen. Tatsächlich waren im Vorfeld Lieferwagen mit französischen, italienischen und sogar englischen Nummernschilder zu sehen, die für den Aufbau angereist waren bzw. von Austragungsort zu Austragungsort unterwegs sind. Die Organisatoren gehen mit dieser Kritik aber auch offen um. Sie sind sich des CO2-Ausstosses bewusst und kompensieren ihn, indem sie Investitionen in Klimaschutzprojekte tätigen. Und sind überzeugt davon, dass die positive Vermittlung der Elektromobilität wichtiger ist als der dazu nötige Schadstoffausstoss. Dem stimme ich zu.

Eine bewilligte Velo-Demonstration sorgte dann auch für massive Schäden entlang der Strecke. Die Demonstranten haben mutwillig Werbebanner abgerissen sowie Strom- und Fernsehkabel durchgeschnitten. Verhindern konnten sie den E-Prix damit aber natürlich nicht. Und Sie haben mit ihrer Aktion nicht der Veranstaltung geschadet, sondern den Anwohnern. Denn aufgrund der Störaktion mussten die Strassen früher als geplant komplett gesperrt werden, um die Werbebanner zu ersetzen und weitere Schäden zu vermeiden. Und die Velo-Demonstranten haben damit der Umwelt geschadet. Denn ihretwegen mussten Ersatzbanner über Nacht aus London eingeflogen werden, die eigentlich fürs nächste Rennen vorgesehen waren. Neue drucken war in der kurzen Zeit nicht mehr möglich. Auch die Handwerker, die sowieso schon lange für das Rennen im Einsatz standen, waren über den zusätzlichen Aufwand unter hohem Zeitdruck sicher nicht erfreut. Hoffentlich werden die Organisatoren der Demonstration und die Sachbeschädiger für die Schadenssumme von 400’000 Franken haftbar gemacht. Denn Sachbeschädigung ist nicht etwa ein Kavaliersdelikt, sondern «das waren kriminelle Handlungen», wie der Leiter des Organisationskomitees Pascal Derron nach dem Rennen sagt.

Swiss E-Prix: Bildstrecke in der Berner Zeitung

Grossandrang in der Fanzone

Nach langen Vorbereitungen war es am Samstag, 22. Juni 2019, endlich soweit. Der Renntag ist gekommen. Bis dahin wurden die Strassen im Obstberg-Quartier vorbereitet und übertrieben grosse Festzelte auf Stelzen über dem Bärengraben und auf der Nydeggbrücke aufgebaut, sowie ein E-Village in der unteren Altstadt.

Am Samstagmorgen fanden zwei freie Trainingsfahrten statt und am Nachmittag das Qualifying, das wir uns vor Ort angeschaut haben. Grossartig, dass Zuschauen an vielen Orten kostenlos möglich war. Nämlich in der Fanzone entlang des Aargauerstalden und in der Family Zone im Rosengarten. Aber dorthin musste man erstmal kommen.

Swiss E-Prix 2019 in Bern

Doch von Anfang an. Weil der Stapi und der Gemeinderat Autos nicht mögen, haben sie, anders als sonst bei Grossveranstaltungen wie der BEA Expo oder Konzerten im Stade de Suisse, keine – null – Parkplätze für Besucher bereitgestellt. Im Gegenteil: Mehrere grössere Parkplätze waren durch die Boxengasse, Essensstände oder Begleitfahrzeuge besetzt und standen nicht zur Verfügung. Daneben haben Anwohner innerhalb der Rennstrecke ihre Autos schon vor Tagen in den Quartieren ausserhalb der Strecke abgestellt. Ausserdem waren die Strassen rund um die Rennstrecke weiträumig abgesperrt. Und natürlich liegen überall schon Knöllchen-Schreiber auf der Lauer. Schlussendlich finden wir dann aber doch im Breitenrain-Quartier in der Nähe der Kaserne einen Parkplatz. Für das Rennen am Abend müssen sich Besucher aber auf viel längere Fusswege einstellen.

Dann müssen wir uns neben der Zuschauertribüne mit den teuren Plätzen (auf der Viktoriastrasse bei der Ausfahrt der Boxengasse) durchquetschen, um zur Fanzone zu gelangen. Das viel zu enge Nadelöhr hier ist eine schwere Fehlplanung der Verantwortlichen und ein grosses Sicherheitsproblem im Falle einer Evakuierung der Fanzone. Aber daran hat wohl niemand gedacht.

Swiss E-Prix 2019 in Bern

Von der Fanzone am Aargauerstalden aus haben wir einen guten Blick auf die Rennwagen, wie sie die Boxengasse verlassen oder um die enge Kurve gefahren kommen. Von hier aus geben sie Vollgas und beschleunigen mit starkem Zischen bergabwärts auf über 200 Stundenkilometer, bevor sie vor der Kurvenkombination beim Bärengraben stark abbremsen müssen. Schade, dass entlang der Fanzone nur gerade zwei kleine Bildschirme stehen, auf denen später der Rest des Rennens mitverfolgt werden kann. Gerade im oberen Bereich, in dem sich die meisten Zuschauer befinden, fehlt eine solcher komplett.

Swiss E-Prix 2019 in Bern

Swiss E-Prix 2019 in Bern

Dann schauen wir uns die Situation im Rosengarten an. Dazu müssen wir über die einzige Fussgängerbrücke, die vom oberen Teil des Aargauerstaldens hinüber zum Rosengarten führt. Und die ist zwar stabiler, als sie den Anschein macht, aber  mit knapp zwei Meter Breite viel zu schmal dafür, dass sämtliche Besucher innerhalb der Rennstrecke sie überqueren müssen, um zum Rosengarten und zurück zu gelangen. So mussten wir auf dem Rückweg auch etwa zehn Minuten in der Schlange stehen. Zwei weitere Fussgängerbrücken dürfen nur von Anwohnern innerhalb der Rennstrecke benutzt werden, die dafür einen Zugangs-Badge erhielten.

Swiss E-Prix 2019 in Bern

Am vorderen Rand des Rosengartens zur Böschung hin stehen die Zuschauer in einer oberen Reihe auf dem Mäuerchen und in einer unteren Reihe auf dem Fussweg entlang des Zauns. Sie haben eine schöne Aussicht auf die Strecke hinunter zum Bärengraben. Hier oben befindet sich auch der Kameramann, der für die atemberaubend schönen Bilder sorgt, auf denen oben die Altstadt von Bern, die Aare und viele Bäume und unten die vorbeiflitzenden Rennwagen zu sehen sind. Eine grossartige Werbung für die Stadt! Diese Übertragung wird scharenweise Touristen nach Bern bringen.

Swiss E-Prix 2019 in Bern

Swiss E-Prix 2019 in Bern

Dann haben wir noch einen kurzen Blick in das E-Village zwischen dem Zytglogge-Turm und der Nydeggbrücke geworfen, konnten diesem aber nur wenig abgewinnen. Einzig ein Porsche Taycan aus der Nähe war mir hier ein Foto wert.

Porsche Taycan am Swiss E-Prix 2019 in Bern

Renn-Atmosphäre auch ohne Motorenlärm

Das Rennen selbst haben wir uns dann wieder zu Hause im Fernsehen angeschaut. Um auch wirklich die ganze Strecke mitzuerleben. Und haben uns über das überraschend schöne Wetter gefreut. Die Wettervorhersage hatte eigentlich schlechtes Wetter prophezeit.

Dann ging es los. Die 22 Fahrer reihen sich auf der Laubeggstrasse in zwei Kolonnen auf und warten darauf, dass die fünf roten Lichter erlöschen. Und brausen dann in einem wilden Haufen drauflos. Und enden weiter vorne in der ersten Schikane in einer Massenkarambolage – was zu erwarten war. Nichts geht mehr. Das Rennen wird unterbrochen.

Swiss E-Prix 2019 in Bern

Langsam entwirrt ein Fahrer nach dem andern sein Auto aus der Crashzone und fährt zu den Boxen. Dort warten die Helfer schon, um die losen Teile wieder mit Klebeband am Auto festzukleben. MacGyver lässt grüssen. Und ein grosses Geschrei geht los. Zuerst wegen der Schikane, wer die so blöd dort platziert habe, und später wegen der Entscheidung der Rennleitung, die Fahrer in der ursprünglichen Reihenfolge erneut starten zu lassen. Ein Fahrer nach dem andern steigt aus und zieht seinen Helm ab, um mit dem Rennleiter zu diskutieren. Das sieht sehr lustig aus, wie sie alle mit hochroten Köpfen wild durcheinander schreien. Nur unser Schweizer Rennfahrer Sébastien Buemi bleibt ruhig sitzen und wartet auf den Neustart, der ungefähr um 18:45 Uhr folgt. Bei diesem fahren zuerst alle Fahrer in einer Reihe hinter dem Pace Car her, damit nicht erneut ein solches Missgeschick passiert.

Swiss E-Prix 2019 in Bern

Das Rennen selbst bleibt unspektakulär. Der führende Jean-Éric Vergne, der sich im Qualifying die Pole Position geholt hatte, wehrt sich auf der engen Strecke bis zum Schluss erfolgreich gegen jeden Überholversuch, obwohl die Fahrer hinter ihm deutlich schneller unterwegs sind als er. So schliessen gleich mehrere der nachfolgenden Fahrer zu ihm auf. Auch der kurze Regenschauer gegen Ende des Rennens, der die Strecke ziemlich rutschig macht, ändern nichts mehr am Resultat. Vergne fährt zum meiner Meinung nach unverdienten Sieg vor Mitch Evans auf Platz zwei und Sébastien Buemi auf Platz drei. Bei der Zieleinfahrt haben die Rennwagen noch zwischen 2% und 4% Batterieladung übrig.

Swiss E-Prix 2019 in Bern

Das Rennen ist eine grossartige Werbung für Bern, das sich von seiner besten Seite zeigen konnte und sich gekonnt in Szene gesetzt hat. Auch das Wetter spielte grossartig mit. Nur ein paar Runden vor Schluss gab es dann doch noch ein bisschen Regen. Ohne den Neustart wäre das Rennen da aber bereits fertig gewesen. Und der Swiss E-Prix war ein Rennen zum Anfassen. Wer zur richtigen Zeit am richtigen Ort stand, konnte die Rennwagen aus nächster Nähe erleben, wie sie von der Boxengasse zur Werkstatt in den Bernexpo-Hallen und zurück fuhren. Etwa 130’000 Personen folgten der Einladung, in der Fanzone und rund um die Strecke kostenlos zuzuschauen und durchs E-Village zu flanieren. Die Formel E begeistert und beweist: eine Renn-Atmosphäre ist auch ohne Motorenlärm möglich.

Swiss E-Prix 2019 in Bern

Keine Wiederholung

Das Formel-E-Rennen in Bern ist nun vorbei und ich glaube mit Sicherheit sagen zu können, dass der Swiss E-Prix nie mehr in Bern stattfinden wird, zumindest nicht in der Innenstadt. Und darüber bin ich nicht besonders traurig. Ich fand es zwar sehr spannend, dass Rennwagen über die Strecke düsen, auf der ich jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit unterwegs bin. Aber dabei habe ich lange genug gesehen, welche Einschränkungen der Aufbau der Rennstrecke für die Anwohner im Obstberg-Quartier bedeutet hat.

Swiss E-Prix 2019 in Bern

Und diese Einschränkungen dauern weiter an, denn die Abbauarbeiten benötigen scheinbar viel mehr Zeit als vorgesehen. So sind am Montag noch wesentlich mehr Strassen gesperrt als angekündigt, und Buslinien werden weiterhin umgeleitet. Bis alle Verkehrsinseln wieder neu gebaut sind, werden sicher noch ein paar Wochen, wenn nicht sogar Monate vergehen.

Permalink zu diesem Beitrag: http://ptrl.ch/berneprix

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