Monteverdi – die fast vergessene Schweizer Autobauer-Ikone

Die von Peter Monteverdi seit 1967 in Binningen/BL gebauten Sportwagen, Limousinen und Geländewagen zeichnen sich durch markante Doppelscheinwerfer, überhängende Motorhauben, grosse Motoren und scharf gezeichnete Linien aus. Sie sind auch heute noch wunderschön anzuschauen. Fans hoffen auf ein Comeback der Schweizer Automarke zum 50-Jahr-Jubiläum im Jahr 2017.

Peter Monteverdi

Peter Monteverdi wurde vor gut 80 Jahren in eine Auto-Welt hinein geboren. Sein Vater besass eine kleine Auto- und Lastwagen-Werkstatt in Binningen im Kanton Basel-Landschaft und es war nicht verwunderlich, dass die Freude an Autos auf Peter übersprang. Nach der Schule und einem Praktikum in der Schweizer Traktorenfabrik Vevey begann er eine Automechaniker-Lehre bei der Lastwagenfirma Saurer in Arbon. Und baute mit 17 Jahren sein erstes Auto, den Monteverdi Special, aus einem Unfallfahrzeug, mit selbstgebautem Chassis und Karosserie.

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Als Peter 22 Jahre alt ist, stirbt sein Vater. Er übernimmt die Werkstatt und spezialisiert sich auf Sportwagen – mit grossem Erfolg. Die Werkstatt wird zur offiziellen Vertretung für Ferrari, Lancia, Bentley, Jensen und weitere Marken. Parallel dazu fährt Peter Monteverdi Rennen und beginnt mit der Konstruktion und dem Bau von Rennwagen; zuerst für die Formel Junior und später auch für die Formel 1. Unter der Bezeichnung „MBM Automobile“ (Monteverdi Binningen Motors; das zweite M stand zuerst für die Motorenlieferanten Mantzel bzw. Mitter) entstanden rund 20 Rennwagen. Nach einem Unfall im Formel-1-Wagen gab er das Rennfahren auf. Aber tüftelte weiter an eigenen Autos.

High Speed 375

Nachdem Peter Monteverdi nach einem Streit mit Enzo Ferrari die Ferrari-Vertretung verloren hatte, beschloss er, eigene Autos herzustellen. Im Herbst 1967 stellte „Automobile Monteverdi“ sich und den „High Speed 375“ vor – und stiess auf grosses Interesse. Das zeitlos schöne Sportcoupé wurde während den nächsten neun Jahren in verschiedenen Varianten verkauft. Es besteht aus einem von Peter Monteverdi entworfenen Chassis mit einem Kastenrahmen aus Vierkantrohren, einem Chrysler-Achtzylinder-Motor mit 375 PS Leistung (daher der Name) und einer eleganten italienischen Karosserie. Diese wurde zuerst von Frua und später von Fissore in Italien gebaut und auf das nach Italien spedierte Chassis mit Motor montiert.

Das zweisitzige Coupé 375 S wurde bald um eine verlängerte Version 375 L mit vier Sitzplätzen (2+2-Coupé), ein Cabrio 375 C und eine viertürige Limousine 375/4 ergänzt. Auch der Monteverdi Berlinetta und die Cabrio-Version Palm Beach gehören zur High Speed-Reihe.

Monteverdi High Speed 375 L
Monteverdi High Speed 375 L

Monteverdi High Speed 375/4
Monteverdi High Speed 375/4

Monteverdi Berlinetta
Monteverdi Berlinetta

Monteverdi Palm Beach
Monteverdi Palm Beach

Hai 450

Der aufsehenerregende Hai 450 – ein Oberklasse-Sportwagen mit Klappscheinwerfern – wurde 1970 präsentiert. Es erwies sich jedoch nicht als serienreif. Der grosse Mittelmotor passte nicht wirklich in das kleine Auto. Er musste weit oben eingebaut werden, was zu einem zu hohen Schwerpunkt führte, und ragte weit in den Fahrgastraum hinein. Daneben war die gebückte Sitzposition sehr unbequem.

Der überarbeitete Hai 450 GTS mit einem um 50 cm verlängerten Radstand hatte diese Probleme überwunden. Der Hai diente eher als Blickfang und zur Erhöhung des Bekanntheitsgrads der Marke Monteverdi. Mit kleinen Umbauten und Umlackierungen sollte eine leider nicht zustande gekommene Serienproduktion vorgetäuscht werden. Es blieb beim Original, einem verkauften Exemplar und je einem Nachbau (Werksreplik) der Modelle SS und GTS.

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Monteverdi Hai 450 SS Werksreplik mit verlängertem Radstand

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Monteverdi Hai 450 GTS

Die Geländewagen Safari und Sahara

Zur Zeit der Ölkrise sank die Nachfrage nach den durstigen Sportwagen. Monteverdi stellte seine Produktion um, um ab 1976 luxuriös ausgestattete Geländewagen herzustellen. Dabei setzte er auf das Chassis und die Antriebstechnik eines bereits existierenden Serienwagens, des International Scout II. Dank dieser Vorgehensweise konnten die Entwicklungskosten tief gehalten und die Alltagstauglichkeit sichergestellt werden. Dabei entstanden der weniger erfolgreiche Sahara mit der beinahe unveränderten Karosserie des Scout und der Safari mit einem eigenen Design. Der Safari entwickelte sich zum erfolgreichsten Monteverdi-Modell mit einer Produktionszahl im vierstelligen Bereich und vielen Verkäufen in den Nahen und Mittleren Osten.

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Monteverdi Safari

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Monteverdi Sahara

Daneben entwickelte und baute Monteverdi eine viertürige Version des Range Rover, die für weitere Einnahmen durch Lizenzzahlungen sorgte, auch als Range Rover die Produktion selbst übernahm.

Sierra und Tiara

Die High Speed-Reihe wurde 1977 vom Monteverdi Sierra und später vom Monteverdi Tiara abgelöst. Sie waren kleiner und leichter als der High Speed. Wie bereits die Geländewagen basierten auch sie auf fremden Serienfahrzeugen; Basisfahrzeug des Sierra war eine Limousine der Chrysler F-Plattform, dasjenige des Tiara ein Mercedes-Benz S-Klasse. Diese wurden mit einer neuen Front- und Heckpartie (praktisch identisch beim Sierra und Tiara) und einer luxuriösen Innenausstattung wie Klimaanlage, Fernseher oder Diktiergerät versehen, ansonsten entsprachen die Fahrzeuge aber vollständig dem Basisfahrzeug.

Vom Sierra wurden höchstens 50 Exemplare hergestellt, vom Tiara lediglich eine Handvoll. Ihre Produktion wurde endgültig eingestellt, als die Spenderfahrzeuge nicht mehr verfügbar waren. Monteverdi verkaufte den Namen „Sierra“ an Ford, was sich als Glücksgriff erwies: Er soll dafür fünf Franken für jeden hergestellten Ford Sierra erhalten haben – schlussendlich also über 13 Millionen Franken.

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Monteverdi Tiara

Das Monteverdi-Museum in Binnigen

Nach dem Tiara stellte Monteverdi die Fahrzeugproduktion ein. Die vielen Vorschriften in den verschiedenen Ländern wie Abgasnormen oder Crash-Tests standen der Produktion von Kleinserien immer mehr entgegen. Das Werk in Binningen mit seiner grossen Tiefgarage wurde zum Museum umgebaut, das 1985 als Monteverdi Car Collection eröffnete. Neben Monteverdi-Fahrzeugen stellte Peter Monteverdi hier während rund zehn Jahren auch Sportwagen aus seiner Autosammlung aus – ich kann mich noch gut an all die wunderschönen Ferraris, Lamborghinis und weiteren Autos erinnern, die mittlerweile verkauft sind.

Das Museum wird heute noch liebevoll von Peter Monteverdis langjährigem Lebensgefährten Paul Berger betrieben, der mit seinem Wissen der einzelnen Fahrzeuge begeistert. Das Museum ist nur noch für Gruppen nach Voranmeldung geöffnet. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall.

Update: Leider ist das Monteverdi Museum seit Anfang Dezember 2016 geschlossen. Einige der Fahrzeuge werden ab Mitte April 2017 im Verkehrshaus Luzern zu sehen sein.

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Hai 650 F1

Im Jahr 1990 startete Peter Monteverdi einen weiteren Ausflug in die Formel 1: Zusammen mit einem Unternehmer kaufte er das Formel-1-Team Onyx. Es gelang ihnen jedoch kaum, Sponsoren zu finden und gute Resultate zu erzielen. Der Fahrer – der Sohn des Unternehmers – erreichte das Ziel nur zwei Mal auf den Rängen 12 und 15. Nach zehn Rennen trat Monteverdi-Onyx aus finanziellen Gründen nicht mehr an.

Immerhin konnte Peter Monteverdi von seinen neuen Erfahrungen in der Formel 1 profitieren und baute darauf aufbauend und mit vielen Komponenten aus dem Formel-1-Boliden nochmals einen Sportwagen: Der Hai 650 F1 ist ein indirekter Nachfolger des Hai 450. Er präsentierte ihn 1992 am Autosalon Genf, wo ich ihn noch selbst gesehen hatte. Der zweisitzige Supersportwagen mit einem Achtzylinder-Motor von Cosworth mit 650 PS beschleunigt in 8 Sekunden von 0-200 km/h und weiter bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von 335 km/h. Mit diesem ultimativen Supersportwagen wollte Peter Monteverdi wieder als Autobauer Fuss fassen.

Das Fahrzeug war in Europa nicht für den Strassenverkehr zugelassen. Gebaut wurden zwei rote Exemplare sowie ein blau-violettes Ausstellungsmodell ohne Motor.

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Ein Comeback 2017?

1998 stirbt Peter Monteverdi mit nur 64 Jahren an Krebs. Seither hält Paul Berger die Erinnerungen an ihn aufrecht und trotz fehlender Unterstützung des Kantons das Museum in Schuss – und vielleicht sogar bald eine Überraschung bereit! Glaubt man den Gerüchten, tüftelt er an einem neuen Auto, das zum 50-Jahr-Jubiläum der Automarke Monteverdi 2017 am Autosalon in Genf vorgestellt werden soll. Ich bin gespannt und hoffe, dass das stimmt!

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1 Kommentar zu “Monteverdi – die fast vergessene Schweizer Autobauer-Ikone”

  1. […] Schweizer Automarke Monteverdi hatte ihren Sitz nur gerade 4 Kilometer vom Messeplatz in Basel entfernt in Binningen im Kanton […]

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